Liebe Elisabeth!
Du hast uns einen bedeutenden Teil unseres Weges begleitet. Die Geburt unserer Tochter Chiara Maria. Heute, drei Wochen später, schläft unsere Tochter schon über vier Stunden in meinem Zimmer. Als freudiges, herzliches Danke schreibe ich dir diesen Brief.
Ich sitze im Auto vor dem Pflegeheim in Spittal, um Angelika vom Vorbereitungskurs abzuholen. Sie kommt nicht, obwohl es längst aus sein müsste. Im Vorbeigehen finde ich heraus, dass der Kurs straßenseitig im Keller stattfindet. Ich sehe die Gesichter der Frauen, dahinter Plakate von Babies in- und außerhalb der Mütter. Ich bin verärgert, dass ich warten muss. Wer ist die Kursleiterin, die dermaßen die Zeit überzieht? Ich langweile mich, sehe einen Pensionisten vorübergehen. Einige Buben fahren Scooter am Parkplatz. Ich frage, ob ich es auch probieren darf, aber sie wollen das nicht. Ihrer Meinung nach bin ich zu schwer. Ich warte weiter.
Beim Nachhause fahren erzählt mir Angelika über den Vorbereitungskurs. Über die anderen Mütter, über dich, über die Krankenhäuser. Sie hat die Idee, sich die Geburtenstation in Spittal anzusehen und Kontakt mit dem Personal zu finden. Das kann beim Krankenhausaufenthalt hilfreich sein. Beim nächsten Nachhause fahren, der Kurs dauerte wieder nicht genau bis 19.45 Uhr, reden wir über Gymnastik, über andere Geburten, über die Fortschritte der Bäuche und über deren Gipsandrücke. Sie erwähnt auch die Möglichkeit der Hausgeburt. Bei den letzten zwei Terminen sollen die Männer dabei sein. Es interessiert mich die Kursleiterin, die immer länger arbeitet, kennen zu lernen.
Inzwischen ist es halb vier Uhr früh, die Kleine schläft noch fest. Sie fastet jetzt schon seit einundzwanzig Uhr. Wir haben den Vorteil, gut ausgeschlafen zu sein.
Beim ersten Vorbereitungskurs mit den Vätern finde ich mich auf einer roten Matte wieder und wir machen zuerst Entspannungstraining. Ich bin überhaupt nicht darauf eingestellt, aber es tut mir gut nach dem arbeitsreichen Tag und der langen Autofahrt. Ich beobachte die Frauen, ihre Fragen, ihr Zuhören. Ich lerne die Hebamme Elisabeth Vierbauch kennen. Ich darf Stühle tragen. Besonders angetan bin ich von den plastischen Beispielen über die biologischen Vorgänge und anatomischen Abläufe vor und bei der Geburt. Die abgenützte Puppe in deinen Händen und die „Strickmütze“, mit der du die Gebärmutter erklärst, das spricht mich besonders an. Beim Heimfahren reden wir über die Entscheidung zur Hausgeburt mit dir als Hebamme.
Der Geburtstermin rückt immer näher und ich finde mich von Projekten und Terminen verschüttet. Mitten drin wird auch die Geburt unserer Tochter Chiara sein, das lässt sich nicht einordnen oder gar im Terminkalender vermerken. Ich kann mich von der Anspannung nicht freimachen, habe aber alle Voraussetzungen getroffen. Mein Kollege ist seit zwei Monaten eingeschult, die Termine laufen gut, die Veranstaltungen sind erfolgreich.
Von einem sonntäglichen Fest, gehe ich am Nachmittag nach Hause, ich muss ohnehin immer dieselben Fragen beantworten. „Darf man schon gratulieren? – Nein, es dauert noch-Hoffentlich ist alles gesund – Ist deine Frau noch zu Hause?“……………Die Anteilnahme an meinem Zustand ist groß.
Am selben Abend beginnen die Geburtswehen. Ich sitze neben Angelika im Bett, stoppe die Dauer und Abstände der Wehen und lese nach, ob alles so verläuft, wie es im Buch beschrieben steht. Es läuft nicht so. Es gibt keine Erholungspausen. Angelika geht selbst zum Telefon und ruft dich an. Leider ist es fast Mitternacht, nicht gerade passend. Wir wissen, dass die Beruf durch Unregelmäßigkeit und Anspannung sehr anstrengt. Aber wir brauchen dich jetzt.
Chiara schläft immer noch friedlich im Zimmer neben meinem Büro. Es ist vier Uhr früh.
Die Vorbereitungen laufen jetzt voll an, ich bin wie bei der Geburtsvorbereitung von dir eindringlich gefordert nur mehr „der Diener zweier Frauen“. Schweig und lauf. Die Wehen bringen eine Zeitlang keinen Fortschritt, Angelika hat große Schmerzen. Mit Baden und krampflösenden Mitteln vergeht die zweite Hälfte der Nacht. Drinnen im Zimmer ist es sehr warm, auch draußen im Freien. Aber es ist unser Zimmer mit den vertrauten Farben und Gegenständen. Das Bild vom Heißluftballon an der Wand weckt die Frage, wie wird die Geburt sein, wie wird unser Kind den prall gefüllten Bauch verlassen können. Wie wird es aussehen. Haben wir Glück und ein gesundes Kind? Schafft meine Angelika das?
Während der Austreibungsphase ist unser Heizkörper im Badezimmer eine große Hilfe. Wie an einer Sprossenwand hält sich Angelika daran fest. Du fragst ob er wohl gut angedübelt ist. Wir sind jetzt alle sehr konzentriert. Hinter dem Gebärhocker sitzend atme ich Angelika ins Ohr und bin mitten im Geschehen. Du beobachtest genau, was sich tut. Du schaust Angelika ins Gesicht, ich passe auf, dass ich nicht über die Wannen, Tücher und Geräte trete, die du sorgfältig im Zimmer bereitgestellt hast. Zentimeter um Zentimeter geht es voran. Jetzt verstehe ich deine Geduld, dein Nicht-Festhalten an Zeiten und Regeln. Ich denke an meine Ungeduld bei den Geburtsvorbereitungskursen. Da habe ich etwas dazu gelernt. Die Zeit ist jetzt nicht wichtig, das Kind ist wichtig und Angelika braucht von mir alle Liebe und Kraft, alles Wissen und Können von dir.
In der entscheidenden Phase zieht sich der Muttermund über den Kopf unseres Kindes. Es kommen Beschreibungen von dir, ein schwarzer Haarschopf und dann noch einige knappe Anweisungen. Angelika übertrifft sich selbst und bringt unser Kind zur Welt. Du legst es auf ein Handtuch, und mein Blick tastet es ab. Das Kleine schreit sofort los, es ist lebendig, es bringt mich zum Weinen.
Inzwischen ist es fünf Uhr früh, Chiara greint vor sich hin, aber sie schläft noch immer. Ich freue mich schon auf das Frühstück.
Wir waren ein gutes Team. Du umarmst uns und wir sind überglücklich. Es ist inzwischen fast elf Uhr vormittags. Nach dreizehn Stunden ist unser Mädchen bei seiner Mutter, in unserem Zimmer in unserem Haus. – Willkommen Chiara.
Dir, liebe Elisabeth, danken wir für deine Umsicht deine Energie, die Mitgehen. Die Begegnung mit dir war wie eine Wanderung zu neuen Einstellungen gegenüber Geburt, Familie und Leben. Unsere Chiara ist gesund und lieb, und sie macht uns sehr viel Freude.