Es war wieder soweit! Ein kleines Menschlein wuchs, schlummerte und schlug Purzelbäume in meinem Bauch. Jakob (2 Jahre alt) wusste schon bald, dass in diesem sich ausdehnendem Mama-Bauch ein Bruder oder eine Schwester wohnte. Und er wusste, dass er bei Omama und Opapa übernachten durfte, sobald das Geschwisterchen auf die Welt kommen wollte.
Dass dies zu Hause, im Wohnzimmer, geschehen sollte, war Bernhard und mir schon von Anfang an klar. Jakob wurde im Krankenhaus geboren (Hausgeburt war damals für mich einfach nicht vorstellbar, es war sozusagen bequemer mit dem Strom zu schwimmen, als sich mit dem Thema und somit mit sich selbst auseinanderzusetzen). Und obwohl die Geburt an und für sich reibungslos und natürlich verlief und wir uns von kompetentem Personal umgeben wussten, fühlte ich mich weder frei in der Bewegung noch bekam ich das Gefühl vermittelt, in Entscheidungen, die mich persönlich und mein Baby betrafen, eingebunden zu werden. Von einem Mitspracherecht meines Mannes ganz zu schweigen.
Auch in der Nachbetreuung wurde mehr auf mögliche Probleme hingewiesen, die bei Unterlassung von wohlgemeinten Ratschlägen der Hebammen und Kinderärzte auftauchen würden, als einfach Vertrauen in die menschliche Natur zu setzen und dem Neubeginn Zeit und Raum zu gewähren.
Zugegeben. Hätten wir Elisabeth nicht gekannt, wer weiß, wie die Entscheidung ausgefallen wäre. Aber sie war auch schon bei Jakob von Anfang an für uns da – und so war es einfach das Natürlichste der Welt, die zweite Schwangerschaft und Geburt mit ihr an unserer Seite zu erleben.
Und was war das für ein Erlebnis!
Vormittags stellte sich in regelmäßigen Abständen ein Ziehen ein. Da es mich aber nicht weiter in meiner Bewegung beeinträchtigte, hatte ich durchaus noch das Gefühl, dass es vielleicht wieder aufhören könnte. Bernhard fuhr arbeiten und Jakob und ich machten noch einen langen Spaziergang. Und wie sehr ich ihn genoss!! Es war einfach schön, diese „letzten Stunden zu zweit“ bewusst zu genießen und vor allem zu wissen, dass ich mir keine Gedanken um eine rechtzeitige Abfahrt ins Krankenhaus oder um den vollständigen Inhalt eines Übernachtungskofferes machen muss. Schon zu Mittag hatte ich Elisabeth telefonisch Bescheid gegeben, dass ich so alle 5 – 7 Minuten ein Ziehen verspüre und ich sie, sollte es intensiver werden, wieder anrufen würde. Am Nachmittag war sie zufällig in der Nähe und schaute kurz vorbei, um sich ein Bild zu machen. Da der Muttermund noch nicht geöffnet war, fuhr sie wieder und ich hielt sie telefonisch am Laufenden. Abends wurde ich unruhiger und als Bernhard gegen 19 Uhr nach Hause kam, packte er Jakob zusammen und brachte ihn zu meinen Eltern. Das war und blieb auch der einzige Moment, in dem mir zum Weinen zumute war. Mein kleiner Jakob ging und ich wusste, dass sich von nun an alles ändern würde. Aber mit dem nächsten Ziehen wusste ich auch, dass ich mich jetzt voll und ganz auf mein Baby und mich konzentrieren musste. Ich gab Elisabeth Bescheid, dass sie sich auf einen nächtlichen Besuch einstellen konnte, ich aber noch in die Badewanne liegen und mich danach noch einmal melden würde.
Und wie ich es genoss – diese Freiheit mich nach eigenem Gutdünken zu melden, diese Freiheit, selbst zu entscheiden, was mir gut tut und was nicht, diese Freiheit der eigenen vier Wände.
Die Zeit in der Badewanne war einfach nur gemütlich, ich lag da und konnte mich treiben lassen, hinspüren, das Baby spüren und ab und zu einen Blick auf die Uhr werfen, um die Dauer der Wehen abschätzen zu können. Bernhard sah hin und wieder nach mir, bereitete das Wohnzimmer vor und konnte sich so auch schon auf die bevorstehende Nacht vorbereiten. Gegen neun Uhr wurden die Wehen dann zu intensiv für die Badewanne und ich bat Elisabeth zu kommen. Was soll ich sagen? Sie kam – und mit ihr Ruhe, Kraft und Zuversicht.
Nicht, dass ich nervös oder verzagt gewesen wäre, auch Bernhard merkte ich keine Unruhe an. Doch Elisabeth strahlte ein solches Selbstverständnis aus, das ich sofort wusste:
komme was wolle – wir schaffen das!
Die nächste Zeit verging mit Herumtigern meinerseits, Gitarre spielenderweise (Bernhard) und mit Vorbereitungen von Elisabeth.
Das Wohnzimmer war schwach erleuchtet, es war eine angenehme, familiäre, unkomplizierte Stimmung und auch wenn die Wehen nun schmerzhaft waren – ich konnte nicht anders: Ich genoss noch immer.
Zwischenzeitlich musste ich meine Atmung kontrollieren, um nicht zu hyperventilieren, aber in der Seitenlage wurde es damit besser. Bernhard hielt meine Hand, Elisabeth hielt mich bei den Füßen – ich wurde gestützt von zwei Menschen, die nur für mich da waren, die sich genauso mit mir konzentrierten und durch die Wehen hindurch Kraft gaben. Und diese Verschnaufspausen… ich hätte sie trinken mögen. So unglaublich erholsam, ich hätte es nie für möglich gehalten.
Die Fruchtblase war schon in Seitenlage geplatzt, aber als ich dann bei den Presswehen am Hocker saß, kam noch ein Schwall. Und der war die Ankündigung meiner Tochter.
Sie blieb kurz mit den Schultern stecken, Elisabeth half mir, mich noch einmal zu konzentrieren und schließlich war sie da: Milena – mit 4400g und 54cm kam sie um 23:40 Uhr in einer wunderschönen Vollmondnacht zur Welt.
Die Ereignisse danach sind aus meiner Sicht reichlich verschwommen, aber ich weiß noch, wie entspannt und ohne Hast alles vor sich ging. Wir ließen die Nabelschnur in aller Ruhe auspulsieren, ich konnte Atem schöpfen ohne wachsam sein zu müssen, was derweilen mit meiner Tochter geschieht, sie war stets in meinem Blickfeld und konnte ganz entspannt ihre ersten Trinkversuche unternehmen. Ich blieb auf der Couch liegen und während Elisabeth Milena badete, untersuchte und anzog, konnte ich ungehindert die Situation in mich aufnehmen, locker lassen, mit Bernhard und Elisabeth plaudern und lachen, einfach ich sein. Ankommen.
Wie habe ich mich auf den Moment gefreut, in dem mein Mann, meine Tochter und ich in einem Bett liegen würden! Es war ein erholsamer Schlaf, der uns übermannte, Milena hat dann noch einmal in der Nacht getrunken, aber schlummerte dann ebenfalls tief und fest.
Da ich während der Geburt etwas mehr Blut verloren hatte, blieb Elisabeth für alle Fälle über Nacht bei uns und half mir, wenn ich aufstehen musste.
Auch für Bernhard war es entspannter, die Geburt in der vertrauten Umgebung zu erleben. Er konnte sich nützlich machen, half Elisabeth bei den Vorbereitungen, durfte die Situation mitgestalten, konnte einfach er selbst sein.
Die Geburt im Krankenhaus hält keinem Vergleich stand. Nie hatte ich mich trotz des vielen Personals so sicher und geborgen gefühlt, wie zu Hause mit Bernhard und Elisabeth. Nie hatte ich das Gefühl in den Augen der Krankenschwestern und Ärzte zu genügen. Daheim stellten sich mir die Fragen gar nicht: Bin ich stark genug? Schaffe ich das? Kann ich auf das Baby und mich vertrauen?
Eine Hausgeburt vermittelt Frauen wieder einen Selbstwert, einen Respekt, eine Hochachtung, eine Verbeugung vor dem Wunderwerk des weiblichen Körpers.
Im Krankenhaus kommt ein Baby als Patient auf die Welt – zu Hause als Mensch.
Schreibe einen Kommentar